Text von Uwe Anhäuser, Hunsrück und Naheland, DuMont-Kunst-Reiseführer, 1987
Der Fluchtweg des Schinderhannes führte südlich von Simmern an Dörfern wie Ohlweiler, Holzbach, Riesweiler und Tiefenbach vorbei. Trotz mancher Veränderung durch neuzeitliche Straßenbaumaßnahmen und Erweiterungen mit Neubaugebieten haben sie alle in ihrem Kern noch manches von der historischen Bausubstanz bewahrt, wenn auch viele landwirtschaftliche Anwesen aufgegeben, Scheunen zu Garagen und Wohnbauten umgestaltet oder die alten Fassaden mit modernen Materialien verkleidet wurden. Auch Belgweiler und Mengerschied gefallen noch immer mit schönen Fachwerkbauten, wobei im letztgenannten Ort das in dieser Bauweise errichtete Rathaus in der Ortsmitte besonders auffällt. Gleich nebenan, ebenfalls aus Fachwerk, steht eines der wenigen noch im Hunsrück erhaltenen Tanzhäuser, einstiger Tummelplatz für jung und alt bei dörflichen Festen. Zum selben Dorfmittelpunkt gehört hier selbstverständlich auch die Kirche, 1842/43 in so schlichter wie markanter Form des Klassizismus erbaut.
Apropos Tummelplatz: Statt altmodischer Tanzhäuser bevorzugt die Hunsrücker Jugend natürlich die auch im ländlichen Raum eifrig frequentierten ›Diskoschuppen‹ topmodernen Zuschnitts. Die geselligen Treffpunkte früherer Zeiten sind gänzlich funktionslos geworden, haben ihre mitunter während vieler Jahrhunderte gewachsene Bedeutung so nachhaltig eingebüßt wie auch der traditionelle Nunkircher Markt zwischen Mengerschied und Simmern, droben auf der Höhe beim Dörfchen Sargenroth. Nur flüchtig erblickt man dort zwischen den breiten Kronen starkstämmiger Baumriesen einen nach seinerzeit ›vaterländischer Baukonfektion‹ geformten Bismarckturm und wenig weiter inmitten von Kastanien und Linden den Turmhelm der Nunkirche.
Dieses Gotteshaus, bereits 1072 als Mutterkirche der benachbarten Ravengiersburg erwähnt, erhebt sich auf einer uralten Mark- und Gerichtsstätte; es war bis zur Reformation (1557) ein weitbekanntes Wallfahrtsziel. Der romanische Turm (12. Jh.) vor dem im 18. Jahrhundert erneuerten Langhaus bewahrt im Inneren Wand- und Gewölbefresken (13./14. Jh.), darunter eindrucksvolle Motive aus dem Marienleben und Christus in der Mandorla inmitten der symbolisch wiedergegebenen Evangelisten. Ein Jüngstes Gericht und Darstellungen der Klugen und der Törichten Jungfrauen gehören ebenfalls zu dieser bedeutsamen Stätte alter Kunst.
Vom Rochusfeld vor und neben der Nunkirche genießt man weite Rundblicke über die Simmerner Mulde (nach Norden) und zum Gipfelkamm des Soonwaldes auf der anderen Seite. Der noch jährlich im September gehaltene Nunkircher Markt reicht, obzwar ein lebendiges Volksfest, an die traditionellen Vieh- und Krammärkte von früher nicht mehr heran.
Die zentrale Lage der Nunkirche im mittleren Hunsrück eignet sich heute wie einst als günstiger Ausgangspunkt für Entdeckungsfahrten auf der Hochfläche und durch die zur Nahe entwässernden Tallandschaften. Über die am Rochusfeld vorüberführende Höhenstraße gelangt man zügig nach Simmern und Rheinböllen; durch Tiefenbach und über die Waldsträßchen des Großen Soon sind sowohl die romantisch gelegenen Weiler zwischen Entenpfuhl und Münchwald als auch das nach Sobernheim und Bad Kreuznach orientierte Soonvorland gut zu erreichen, während es über Mengerschied zum idyllischen Gemünden und der weithin sichtbaren Koppensteinhöhe mit dem als Aussichtsturm hergerichteten Bergfried der alten Burg nur ein paar Fahrminuten sind.
Der Fluchtweg des Schinderhannes führte südlich von Simmern an Dörfern wie Ohlweiler, Holzbach, Riesweiler und Tiefenbach vorbei. Trotz mancher Veränderung durch neuzeitliche Straßenbaumaßnahmen und Erweiterungen mit Neubaugebieten haben sie alle in ihrem Kern noch manches von der historischen Bausubstanz bewahrt, wenn auch viele landwirtschaftliche Anwesen aufgegeben, Scheunen zu Garagen und Wohnbauten umgestaltet oder die alten Fassaden mit modernen Materialien verkleidet wurden. Auch Belgweiler und Mengerschied gefallen noch immer mit schönen Fachwerkbauten, wobei im letztgenannten Ort das in dieser Bauweise errichtete Rathaus in der Ortsmitte besonders auffällt. Gleich nebenan, ebenfalls aus Fachwerk, steht eines der wenigen noch im Hunsrück erhaltenen Tanzhäuser, einstiger Tummelplatz für jung und alt bei dörflichen Festen. Zum selben Dorfmittelpunkt gehört hier selbstverständlich auch die Kirche, 1842/43 in so schlichter wie markanter Form des Klassizismus erbaut.
Apropos Tummelplatz: Statt altmodischer Tanzhäuser bevorzugt die Hunsrücker Jugend natürlich die auch im ländlichen Raum eifrig frequentierten ›Diskoschuppen‹ topmodernen Zuschnitts. Die geselligen Treffpunkte früherer Zeiten sind gänzlich funktionslos geworden, haben ihre mitunter während vieler Jahrhunderte gewachsene Bedeutung so nachhaltig eingebüßt wie auch der traditionelle Nunkircher Markt zwischen Mengerschied und Simmern, droben auf der Höhe beim Dörfchen Sargenroth. Nur flüchtig erblickt man dort zwischen den breiten Kronen starkstämmiger Baumriesen einen nach seinerzeit ›vaterländischer Baukonfektion‹ geformten Bismarckturm und wenig weiter inmitten von Kastanien und Linden den Turmhelm der Nunkirche.
Dieses Gotteshaus, bereits 1072 als Mutterkirche der benachbarten Ravengiersburg erwähnt, erhebt sich auf einer uralten Mark- und Gerichtsstätte; es war bis zur Reformation (1557) ein weitbekanntes Wallfahrtsziel. Der romanische Turm (12. Jh.) vor dem im 18. Jahrhundert erneuerten Langhaus bewahrt im Inneren Wand- und Gewölbefresken (13./14. Jh.), darunter eindrucksvolle Motive aus dem Marienleben und Christus in der Mandorla inmitten der symbolisch wiedergegebenen Evangelisten. Ein Jüngstes Gericht und Darstellungen der Klugen und der Törichten Jungfrauen gehören ebenfalls zu dieser bedeutsamen Stätte alter Kunst.
Vom Rochusfeld vor und neben der Nunkirche genießt man weite Rundblicke über die Simmerner Mulde (nach Norden) und zum Gipfelkamm des Soonwaldes auf der anderen Seite. Der noch jährlich im September gehaltene Nunkircher Markt reicht, obzwar ein lebendiges Volksfest, an die traditionellen Vieh- und Krammärkte von früher nicht mehr heran.
Die zentrale Lage der Nunkirche im mittleren Hunsrück eignet sich heute wie einst als günstiger Ausgangspunkt für Entdeckungsfahrten auf der Hochfläche und durch die zur Nahe entwässernden Tallandschaften. Über die am Rochusfeld vorüberführende Höhenstraße gelangt man zügig nach Simmern und Rheinböllen; durch Tiefenbach und über die Waldsträßchen des Großen Soon sind sowohl die romantisch gelegenen Weiler zwischen Entenpfuhl und Münchwald als auch das nach Sobernheim und Bad Kreuznach orientierte Soonvorland gut zu erreichen, während es über Mengerschied zum idyllischen Gemünden und der weithin sichtbaren Koppensteinhöhe mit dem als Aussichtsturm hergerichteten Bergfried der alten Burg nur ein paar Fahrminuten sind.
Text von Uwe Anhäuser, Hunsrück und Naheland, DuMont-Kunst-Reiseführer, 1987
Unter ortskundigen Wanderfreunden ist talaufwärts von Gemünden die vom Straßenverkehr gänzlich verschonte Wegstrecke am gewundenen Simmerbach über Panzweiler und Wallenbrück nach Ravengiersburg sehr beliebt. Panzweiler erhielt seinen Namen übrigens von einem längst erloschenen Rittergeschlecht, an dessen abgegangenen Burgsitz genauso wenig erinnert wie auch an noch erheblich ältere Niederlassungen aus der Römerzeit, von denen spärliche Reste am Talhang aufgefunden wurden.
Des weiteren empfiehlt sich vom selben Ort ein kurzer Abstecher nach Womrath (Kirche von 1774 mit markantem Dachreiter): Dort steht noch eine stattliche Zahl von Fachwerkhäusern (18./19. Jh.) mit den für die Region so charakteristischen Schieferfassaden. Ein rechtes Prachtstück dieser Architektur erblickt man im Haus Nr. 8 (um 1800), das unter seinem wuchtigen Mansarddach an der Giebelseite einen gleichfalls verschieferten Erker unter geschwungener Haube trägt.
Wie Womrath gehörten die benachbarten Orte Maitzborn, Rödern, Oppertshausen und Belgweiler - insgesamt 25 Dörfer - zum einstigen Besitz des Klosters Ravengiersburg der neben Sponheim bedeutendsten Abtei im Hunsrück-Nahe-Raum.
Wer nicht über ausreichende Zeit und Muße für die mehrstündige Wanderung durchs Simmerbachtal von Gemünden oder Panzweiler herauf verfügt, kann Ravengiersburg auch in weniger als fünf Autominuten unmittelbar von der Nunkirche oder von Mengerschied aus ansteuern. Das ehemalige Augustinerchorherrenstift St. Christophorus mitsamt der dominierenden romanischen Doppelturm-Fassade des ›Hunsrückdoms‹ hebt sich auf steilem Felsklotz aus der grünen Talaue höchst wirkungsvoll hervor. Diesen malerischen Anblick ergänzt und verstärkt das kleine Dorf darunter; Schieferdächer und Fachwerkgemäuer schmiegen sich innerhalb einer weitgeschwungenen Bachschleife eng um den Klosterberg. Der Ort soll seinen Namen von Ravengar (oder Ravenger) erhalten haben, einem Edlen der Trechirgauers aus fränkischem Stamm, der auf dem Felsen über der Simmer um 930 eine Burg gründete. Diesen Besitz schenkten Graf Berthold von Trachgau und seine Frau Hadewig (Hedwig) 1074 dem Erzbistum Mainz.
Das von ihnen begründete und unter tatkräftiger Anteilnahme des Erzbischofs Siegfried von Mainz erbaute Chorherrenstift, von Anbeginn mit einträglichen Liegenschaften und Zuwendungen begabt, wuchs rasch und nahm vor allem vom 12. bis 14. Jahrhundert infolge ›Einverleibung‹ weitere Kirchen und deren Besitz räumlich wie auch an Einkünften stetig zu. Auch ein etwas später am selben Ort eingerichtetes Frauenkloster, möglicherweise bereits von Gräfin Hedwig selbst veranlasst, profitierte gewiss vom begüterten Wohlstand. Unbeschadet der dazumal üblichen ›kleineren‹ Probleme infolge von Missernten, Bränden oder auch Übergriffen raubsüchtiger Nachbarn gedieh die klösterliche Blütezeit bis ins späte 15. Jahrhundert. Eine 1469 durchgeführte Visitation und Reform (die ›Windesheimer Kongregation‹) lässt indessen vermuten, dass es auch in Ravengiersburg mit klösterlicher Zucht nicht immer allzu streng genommen wurde.
Ein Jahrhundert später (1566) gab Pfalzgraf Georg von Simmern bei Durchführung der Reformation den Mönchen den Laufpass und dem Kloster eine weltliche Verwaltung. Doch 1699, als den Simmerner Herzögen die Fürsten von Kurpfalz als Landesherren gefolgt waren, wurde im ›Hunsrückdom‹ wieder die katholische Messe gelesen. 1802 erfolgte die Säkularisation des klösterlichen Besitzes, der ehedem zur Blütezeit nicht weniger als 14573 Hektar Land umfasst hatte. 1920 übernahmen Missionare (von der Heiligen Familie) die Klostergebäude und erweiterten sie für ein bis 1970 fortbestehendes Scholastikat. Nach Schließung des Missionsseminars ›Maria Hilf‹ hielt ein Berufsbildungswerk in Ravengiersburg Einzug.
Text von Uwe Anhäuser, Hunsrück und Naheland, DuMont-Kunst-Reiseführer, 1987
Zwar fallen die seit 1921 der historischen Substanz angefügten modernen Stiftgebäude aus der Fernsicht wenig auf, schieben sich aber beim Näherkommen kaum vorteilhaft ins Blickfeld; den spätgotischen Kreuzgang halben sie völlig umschlossen. Zeigen noch Fotos aus den fünfziger Jahren dieses Jahres dieses Jahrhunderts des Gotteshaus und das 1706 an seiner Südseite erbaute ehemalige Pfarrhaus in geradezu einsamer Erhabenheit über den Dächern des Ortes thronend, so haben insbesondere die Neubauten nach 1964 dieses Bild versehrt. Lediglich der Westbau mit seinen 42 Meter hohen türmen ragt wie zeitlos, gleichsam unnahbar, aus dem baulichen Konglomerat hervor.
Auf ihrem Unterbau aus dem ersten Viertel des 12. Jahrhunderts wurden die zwei Türme nicht lange nach 1200 fertiggestellt; derselben Zeitspanne ist auch die Krypta zuzurechnen. Von dem interessant gegliederten Westwerk mit seinen Gesimsen, Bogenblenden, durch Säulchen geteilten Schallarkaden und der Galerie heißt es (Dehio): »Auch nach der künstlerischen Seite ist diese Fassade sehr der Beachtung zu empfehlen; an ihrer großzügigen Naivität kann man lernen, was den modernen Nachahmern des romanischen Stils ewig unerreichbar war.«
Die eigentümliche Wucht dieser Baumassen unter den verschieferten Rautenhelmen dominiert trotz aller Zierformen, zu welchen auch das in ein Ädikulum unter der Galerie des Zwischenbaues eingefügte Relief Christi in der Mandorla gehört. Symbole der vier Evangelisten umranden dieses Bildwerk des Erlösers, der die Rechte segnend empor- und mit der Linken die Heilige Schrift hält. Auf gleicher Höhe trägt der Südturm einen Gekreuzigten dessen Füße ein Löwe stützt. Eine Säule rechts oberhalb dieser Plastik zeigt Adam und Eva nach dem Sündenfall.
Die gesamte Bauzier weist auf die Zugehörigkeit zu jener von der ottonischen Architektur maßgeblich beeinflussten trierisch-lothrigischen Schule hin (als deren östlichstes Beispiel). Auch im Inneren der Türme setzt sich der merkwürdige Skulpturenschmuck fort, u.a. mit einer steinernen Löwenfamilie im romanischen Stil und mit der Kapitellplastik eines aus den Händen gehenden Mannes.
Hinter den so starken Türmen hat sich die ursprüngliche Kirche nicht bewahren lassen: Während jene jeglicher Gewalt widerstanden haben, fiel das ursprüngliche dreischiffige romanischen Langhaus bereits um 1440 einer Brandkatastrophe zum Opfer und wurde ausgangs desselben Jahrhunderts durch einen einschiffigen und offenbar erheblich schlichteren Bau der Gotik ersetzt. Daran erinnert auch die spätere in den Nordturm verbrachte Inschrift vom 1497 erneuerten Grabmal des Stifterpaares. Derselben Bauphase gehört im übrigen der Kreuzgang an.
Zwei Jahrhunderte später standen vom Kirchenschiff und den Klostergebäuden aber zum wiederholten Mal nur noch die Ruinen, so dass eine erneute Rekonstruktion erforderlich wurde. Dieser sich von 1718 bis 1752 hinziehende Neubau bezog von der spätgotischen Architektur lediglich das Mittelschiff ein und bestimmt das aktuelle Aussehen der Kircheninneren. So vereinen sich über der romanischen Krypta, deren Relikte an der nördlichen Außenseite des Chors noch sichtbar sind, die von später Gotik geprägten Bauformen mit den auch in der Ausstattung dominierenden Elementen des Barock. Unter den letzteren sind Werkstatt (Stiftungen des Kurfürsten Karl Philipp von der Pfalz) sowie die aus der Bad Kreuznacher Nikolaikirche stammenden Prunkstücke der Orgel und der furnierten Kanzel (Mitte 18. Jh.) hervorzuheben.
Die Kirche drunten im Dorf, das zu durchwandern man wegen der erwähnten schönen Fachwerkhäuser nicht versäumen sollte, wurde 1907/08 als harmonisches Bauwerk der Neugotik errichtet und birgt ebenfalls eine barocke Orgel.
Unter ortskundigen Wanderfreunden ist talaufwärts von Gemünden die vom Straßenverkehr gänzlich verschonte Wegstrecke am gewundenen Simmerbach über Panzweiler und Wallenbrück nach Ravengiersburg sehr beliebt. Panzweiler erhielt seinen Namen übrigens von einem längst erloschenen Rittergeschlecht, an dessen abgegangenen Burgsitz genauso wenig erinnert wie auch an noch erheblich ältere Niederlassungen aus der Römerzeit, von denen spärliche Reste am Talhang aufgefunden wurden.
Des weiteren empfiehlt sich vom selben Ort ein kurzer Abstecher nach Womrath (Kirche von 1774 mit markantem Dachreiter): Dort steht noch eine stattliche Zahl von Fachwerkhäusern (18./19. Jh.) mit den für die Region so charakteristischen Schieferfassaden. Ein rechtes Prachtstück dieser Architektur erblickt man im Haus Nr. 8 (um 1800), das unter seinem wuchtigen Mansarddach an der Giebelseite einen gleichfalls verschieferten Erker unter geschwungener Haube trägt.
Wie Womrath gehörten die benachbarten Orte Maitzborn, Rödern, Oppertshausen und Belgweiler - insgesamt 25 Dörfer - zum einstigen Besitz des Klosters Ravengiersburg der neben Sponheim bedeutendsten Abtei im Hunsrück-Nahe-Raum.
Wer nicht über ausreichende Zeit und Muße für die mehrstündige Wanderung durchs Simmerbachtal von Gemünden oder Panzweiler herauf verfügt, kann Ravengiersburg auch in weniger als fünf Autominuten unmittelbar von der Nunkirche oder von Mengerschied aus ansteuern. Das ehemalige Augustinerchorherrenstift St. Christophorus mitsamt der dominierenden romanischen Doppelturm-Fassade des ›Hunsrückdoms‹ hebt sich auf steilem Felsklotz aus der grünen Talaue höchst wirkungsvoll hervor. Diesen malerischen Anblick ergänzt und verstärkt das kleine Dorf darunter; Schieferdächer und Fachwerkgemäuer schmiegen sich innerhalb einer weitgeschwungenen Bachschleife eng um den Klosterberg. Der Ort soll seinen Namen von Ravengar (oder Ravenger) erhalten haben, einem Edlen der Trechirgauers aus fränkischem Stamm, der auf dem Felsen über der Simmer um 930 eine Burg gründete. Diesen Besitz schenkten Graf Berthold von Trachgau und seine Frau Hadewig (Hedwig) 1074 dem Erzbistum Mainz.
Das von ihnen begründete und unter tatkräftiger Anteilnahme des Erzbischofs Siegfried von Mainz erbaute Chorherrenstift, von Anbeginn mit einträglichen Liegenschaften und Zuwendungen begabt, wuchs rasch und nahm vor allem vom 12. bis 14. Jahrhundert infolge ›Einverleibung‹ weitere Kirchen und deren Besitz räumlich wie auch an Einkünften stetig zu. Auch ein etwas später am selben Ort eingerichtetes Frauenkloster, möglicherweise bereits von Gräfin Hedwig selbst veranlasst, profitierte gewiss vom begüterten Wohlstand. Unbeschadet der dazumal üblichen ›kleineren‹ Probleme infolge von Missernten, Bränden oder auch Übergriffen raubsüchtiger Nachbarn gedieh die klösterliche Blütezeit bis ins späte 15. Jahrhundert. Eine 1469 durchgeführte Visitation und Reform (die ›Windesheimer Kongregation‹) lässt indessen vermuten, dass es auch in Ravengiersburg mit klösterlicher Zucht nicht immer allzu streng genommen wurde.
Ein Jahrhundert später (1566) gab Pfalzgraf Georg von Simmern bei Durchführung der Reformation den Mönchen den Laufpass und dem Kloster eine weltliche Verwaltung. Doch 1699, als den Simmerner Herzögen die Fürsten von Kurpfalz als Landesherren gefolgt waren, wurde im ›Hunsrückdom‹ wieder die katholische Messe gelesen. 1802 erfolgte die Säkularisation des klösterlichen Besitzes, der ehedem zur Blütezeit nicht weniger als 14573 Hektar Land umfasst hatte. 1920 übernahmen Missionare (von der Heiligen Familie) die Klostergebäude und erweiterten sie für ein bis 1970 fortbestehendes Scholastikat. Nach Schließung des Missionsseminars ›Maria Hilf‹ hielt ein Berufsbildungswerk in Ravengiersburg Einzug.
Text von Uwe Anhäuser, Hunsrück und Naheland, DuMont-Kunst-Reiseführer, 1987
Zwar fallen die seit 1921 der historischen Substanz angefügten modernen Stiftgebäude aus der Fernsicht wenig auf, schieben sich aber beim Näherkommen kaum vorteilhaft ins Blickfeld; den spätgotischen Kreuzgang halben sie völlig umschlossen. Zeigen noch Fotos aus den fünfziger Jahren dieses Jahres dieses Jahrhunderts des Gotteshaus und das 1706 an seiner Südseite erbaute ehemalige Pfarrhaus in geradezu einsamer Erhabenheit über den Dächern des Ortes thronend, so haben insbesondere die Neubauten nach 1964 dieses Bild versehrt. Lediglich der Westbau mit seinen 42 Meter hohen türmen ragt wie zeitlos, gleichsam unnahbar, aus dem baulichen Konglomerat hervor.
Auf ihrem Unterbau aus dem ersten Viertel des 12. Jahrhunderts wurden die zwei Türme nicht lange nach 1200 fertiggestellt; derselben Zeitspanne ist auch die Krypta zuzurechnen. Von dem interessant gegliederten Westwerk mit seinen Gesimsen, Bogenblenden, durch Säulchen geteilten Schallarkaden und der Galerie heißt es (Dehio): »Auch nach der künstlerischen Seite ist diese Fassade sehr der Beachtung zu empfehlen; an ihrer großzügigen Naivität kann man lernen, was den modernen Nachahmern des romanischen Stils ewig unerreichbar war.«
Die eigentümliche Wucht dieser Baumassen unter den verschieferten Rautenhelmen dominiert trotz aller Zierformen, zu welchen auch das in ein Ädikulum unter der Galerie des Zwischenbaues eingefügte Relief Christi in der Mandorla gehört. Symbole der vier Evangelisten umranden dieses Bildwerk des Erlösers, der die Rechte segnend empor- und mit der Linken die Heilige Schrift hält. Auf gleicher Höhe trägt der Südturm einen Gekreuzigten dessen Füße ein Löwe stützt. Eine Säule rechts oberhalb dieser Plastik zeigt Adam und Eva nach dem Sündenfall.
Die gesamte Bauzier weist auf die Zugehörigkeit zu jener von der ottonischen Architektur maßgeblich beeinflussten trierisch-lothrigischen Schule hin (als deren östlichstes Beispiel). Auch im Inneren der Türme setzt sich der merkwürdige Skulpturenschmuck fort, u.a. mit einer steinernen Löwenfamilie im romanischen Stil und mit der Kapitellplastik eines aus den Händen gehenden Mannes.
Hinter den so starken Türmen hat sich die ursprüngliche Kirche nicht bewahren lassen: Während jene jeglicher Gewalt widerstanden haben, fiel das ursprüngliche dreischiffige romanischen Langhaus bereits um 1440 einer Brandkatastrophe zum Opfer und wurde ausgangs desselben Jahrhunderts durch einen einschiffigen und offenbar erheblich schlichteren Bau der Gotik ersetzt. Daran erinnert auch die spätere in den Nordturm verbrachte Inschrift vom 1497 erneuerten Grabmal des Stifterpaares. Derselben Bauphase gehört im übrigen der Kreuzgang an.
Zwei Jahrhunderte später standen vom Kirchenschiff und den Klostergebäuden aber zum wiederholten Mal nur noch die Ruinen, so dass eine erneute Rekonstruktion erforderlich wurde. Dieser sich von 1718 bis 1752 hinziehende Neubau bezog von der spätgotischen Architektur lediglich das Mittelschiff ein und bestimmt das aktuelle Aussehen der Kircheninneren. So vereinen sich über der romanischen Krypta, deren Relikte an der nördlichen Außenseite des Chors noch sichtbar sind, die von später Gotik geprägten Bauformen mit den auch in der Ausstattung dominierenden Elementen des Barock. Unter den letzteren sind Werkstatt (Stiftungen des Kurfürsten Karl Philipp von der Pfalz) sowie die aus der Bad Kreuznacher Nikolaikirche stammenden Prunkstücke der Orgel und der furnierten Kanzel (Mitte 18. Jh.) hervorzuheben.
Die Kirche drunten im Dorf, das zu durchwandern man wegen der erwähnten schönen Fachwerkhäuser nicht versäumen sollte, wurde 1907/08 als harmonisches Bauwerk der Neugotik errichtet und birgt ebenfalls eine barocke Orgel.